"Verteidigst du etwa auch Mörder und Vergewaltiger?"

Eine sehr beliebte und  emotional verständliche Frage, auf die es aber keine vernünftige Antwort gibt.

Oder ich stelle eine Gegenfrage: Sie sind Lehrer; eine junge Schülerin zeigt Sie wegen Vergewaltigung an. Es wird gegen Sie ermittelt und schließlich angeklagt. Schuldig oder unschuldig? Das wissen in solchen Verfahren nur Sie und das Mädchen. Warum sollte ich Sie nicht verteidigen?

Soll heißen: Ob der Mörder ein Mörder ist (oder Vergewaltiger, Räuber, Dieb etc.) bzw. so genannt werden darf, steht erst nach einem rechtskräftigen Urteil fest. Vorher gilt die Unschuldsvermutung. Auch dann, wenn der Fall nach den Ermittlungen noch so klar zu sein scheint. Oder der Verdächtige gar schon ein Geständnis abgegeben hat. Geständnisse können falsch sein; sie können auch mit unzulässigen Verhörmethoden erzwungen sein. Beispiele in der deutschen Justizgeschichte gibt es zuhauf.

Lassen wir aber diese - wenngleich entscheidenden - "Spitzfindigkeiten" weg und ich deute die Frage dahingehend, dass natürlich der verdächtige oder mutmaßliche Verbrecher (Mörder, Vergewaltiger, Räuber, Drogendealer etc.) gemeint ist, dann lautet die Antwort:

Ja, ja und nochmals JA.

Was denn sonst? Der Strafverteidiger ist - wie Rechtsanwälte in anderen Funktionen auch - reiner Interessenvertreter seines Mandanten und hat diese Interessen engagiert und einseitig zu vertreten. Ob mir der Tatvorwurf gefällt oder ich ihn abscheulich finde, darf meine Arbeit nicht beeinflussen! Ansonsten verrichte ich meine Arbeit nicht seriös und nicht professionell.

Wenn ich einen sexuellen Mißbrauch an einem Kleinkind wie alle halbwegs vernünftigen Menschen abstoßend und schockierend finde, bin ich als Verteidiger gleichwohl verpflichtet, darauf zu achten, dass dem Beschuldigten ein faires Verfahren unter strenger Beachtung der Verfahrensgesetze und verfassungsrechtlichen Grundsätze zuteil wird. Das heißt mitnichten, dass ich mich mit der angeklagten Tat  identifiziere oder sie gar gutheiße.

Für Kapitalstrafsachen gelten die gleichen Verfahrensgrundsätze wie für Bagatelldelikte wie der Ladendiebstahl oder die Schwarzfahrt mit der Straßenbahn.

Und GERADE dann wenn sich BILD und die aufgewiegelte Internetgemeinde auf den gerade festgenommenen Beschuldigten einschießen und diesen gnadenlos vorverurteilen, muß sich der Verteidiger entschlossen vor den Mandanten stellen und darauf achten, dass ehrgeizige Polizisten und Staatsanwälte vor lauter Übereifer nicht über das Ziel hinausschießen und Ermittlungsmethoden jenseits des gesetzlich Zulässigen anwenden.

Wie wichtig die engagierte Verteidigung ist, wird an einer schmerzhaften Anzahl  katastrophaler Justizirrtümer deutlich.

Bei Interesse lesen Sie über die Fälle Bauer Rudi Rupp, Harry Wörz, Gustl MollathUlvi Kulaç und Horst Arnold nach! Und das sind nur die in den Medien bekannt gewordenen prominenten Fälle, die sogenannte Spitze des Eisberges!

Vielleicht vestehen Sie die wichtige Aufgabe des Verteidigers nun besser. Ich würde es mir wünschen!